Stevia – so lautet der Name des seit einigen Jahren beliebten Süßstoffs, der in Europa hauptsächlich als Ersatz von Zucker in Lebensmitteln und Getränken Anwendung findet. Die Herkunft des Süßungsmittels ist dabei ebenso verblüffend wie seine weiteren Verwendungsmöglichkeiten.
Herkunft und Geschichte der Steviapflanze
Stevia rebaudiana, so der lateinische Name der wertvollen Pflanze, hat ihren Ursprung im heutigen Paraguay, einem landwirtschaftlich geprägten Binnenstaat im Herzen von Südamerika. Dort, in Brasilien und zwei weiteren südamerikanischen Staaten werden die Blätter des Süßkrauts auch heute noch vor allem von der indigenen Bevölkerung, den Guarani, verwendet, um zum Beispiel den ebenfalls von hier kommenden Mate-Tee zu süßen.
Als die Konquistadoren kamen
Doch bereits vor vielen hundert Jahren stellte Stevia einen gängigen Süßstoff für die Menschen in dieser Region der Erde dar.
Die spanischen Eroberer Südamerikas waren im 16. Jahrhundert die ersten Europäer, die mit der wertvollen Pflanze in Berührung gekommen sind.
Auch wenn sie in Ermangelung von echtem Zucker auf ihren Reisen dieses Wissen in die Heimat weiter trugen, dauerte es bis 1899, ehe ein gewisser Herr Bertoni die Pflanze erstmalig wissenschaftlich unter die Lupe nahm. Bereits er beschrieb die enorme Süßkraft des Krauts.
Isolierung und Zulassung des Süßstoffs
In den 1930ern konnten die Franzosen nach langjähriger Forschung mehrere Süßstoffe im Süßkraut isolieren. Dies ist so wichtig, da es bei großzügiger Verwendung von Stevia einen bitteren Beigeschmack geben kann.
Doch erst im Jahre 2011 wurde das Extrakt aus der Steviapflanze endlich als Süßungsmittel mittels offizieller Anerkennung in Europa eingeführt. Vor allem in bislang zuckerhaltigen Getränken findet Stevia seitdem Anwendung.
Loslösung vom herkömmlichen Zucker
Warum es so lange dauerte, bis sich das Süßkraut in Europa etablierte, lässt sich nur mutmaßen. Die große Beliebtheit vom billigen Zucker vor allem in der Industrie hat eine Verbreitung von Stevia womöglich lange blockiert. Erst der zunehmende Wunsch in der Bevölkerung nach zuckerfreien süßen Produkten und der daraufhin verbreitete Anbau der Pflanze haben allmählich eine Steigerung der Bekannt- und Beliebtheit der Pflanze bewirkt.
Biopiraterie im Falle der Stevia
Des einen Glück ist des anderen Leid. Die Guarani finden inzwischen kaum noch eine wild wachsende Steviapflanze in ihrer Heimat vor. Die sogenannte Biopiraterie, die Europäer und Japaner hier betrieben und sich somit auch finanziell bereichert haben, ist seither ein umstrittenes Thema, da die Guarani niemals auch nur irgendwie für ihre Freigiebigkeit entschädigt wurden.
Heutige Stevia-Anbaugebiete
Angebaut wird Stevia heute aufgrund der Globalisierung und der damit einhergehenden enormen Nachfrage in vielen Gebieten weltweit. So unter anderem auch in China, Indien und Vietnam, aber auch auf dem afrikanischen Kontinent in Kenia finden sich Anbaugebiete. In Südamerika wird die Pflanze nicht mehr nur in Paraguay angebaut, sondern auch in großen Mengen in Brasilien und Kolumbien. Auch die USA bauen inzwischen selbst Stevia an.
Die komplizierte Gewinnung von Stevia
Auch wenn die Steviapflanze eigentlich ein Naturprodukt darstellt, ist es das Stevia-Extrakt aus dem Supermarkt kaum noch. So kann das süßende Glykosid aus der Pflanze nur durch komplizierte chemische Prozesse gelöst werden. Um dieses dann beim Backen verwenden zu können, muss sein Volumen angepasst werden. Dies geschieht, indem man es unter anderem mit Maltodextrin streckt.
Würde man sich mit der Süßung mittels Steviablättern begnügen, müsste man die negative geschmackliche Veränderung von Getränken und Lebensmitteln durch die im Blatt enthaltenen Bitterstoffe in Kauf nehmen.
Verwendungsmöglichkeiten von Stevia
Wie nahezu alle vom Menschen für die Ernährung genutzten Pflanzen soll auch die Steviapflanze gesundheitliche Auswirkungen auf den menschlichen Körper haben. Bei oben beschriebenem Herstellungsprozess ist es jedoch kaum vorstellbar, dass noch irgendeine positive gesundheitliche Wirkung von dem Extrakt ausgehen kann.
Tatsächlich gehen hier die Meinungen stark auseinander. Einerseits wird angenommen, dass der Zuckerersatz gut für Diabetiker ist, die Zähne schont und aufgrund der nicht vorhandenen Kalorien und der geringen Auswirkung auf den Blutzuckerspiegel beim Abnehmen hilft. Andere Stimmen dagegen sagen, dass genau diese Eigenschaften dazu führen, dass der Körper Heißhunger entwickelt. Das EFSA jedenfalls hält Stevia aufgrund fehlender wissenschaftlich belegte Nachweise für ungefährlich.
Fazit – Von Maßen und Massen
Die Dosis macht das Gift, so sagte es bereits Paracelsus. Stevia anstelle von Zucker zu verwenden kann sicherlich für Diabetiker und Abnehmwillige Sinn machen. Wer allerdings glaubt, nun maßlos werden zu müssen, der wird auch mit Stevia sein Glück nicht finden.
Inwieweit die Guarani in Zukunft von den Industrieländern entschädigt werden, bleibt abzuwarten. Verbraucher sollten sich jedoch in jedem Fall bewusst machen, dass das Produkt im Supermarkt dem alten Wissen eines Volkes zu verdanken ist, welches vom immensen Erfolg der zugrunde liegenden Pflanze nichts hat.