Meistens ist die Silhouette des höchsten brasilianischen Berges von Dunstschwaden verdeckt. Diesem Phänomen verdankt der Tafelberg seinen Namen. Neblina ist das portugiesische Wort für Nebel und der gesamte Name des Berges lässt sich als „Nebelspitze“ übersetzen.
Eine späte Entdeckung
Der aufsteigende Nebel aus einem nahegelegenen Flussbecken umhüllt den Berg, sodass er erst in den 1950er Jahren von einem brasilianischen Piloten entdeckt wurde. 1965 wurde der Pico da Neblina zum ersten Mal von Mitgliedern der Armee Brasiliens bestiegen.
Mit seinen 2.994m liegt er weit hinter den größten Bergen Südamerikas zurück, er besticht aber durch raue Schönheit und unberührte Wildnis. Der Berg gehört zu den sogenannten Tepuis. Diese Bezeichnung beschreibt einsam stehende Tafelberge, die durch Erosionen in der Vergangenheit entstanden sind.
Einsame Schönheit
Die Ausläufer des Berges erstrecken sich sowohl nach Brasilien als auch im Norden nach Venezuela. Der Gipfel auf knapp 3km Höhe liegt allerdings auf der brasilianischen Seite im Nordwesten des Bundesstaats Amazonas. Der Pico da Neblina ist Teil des Serra-do-Imeri-Massivs, dem Randgebirge an Grenze zu Venezuela.
Etwa 140km Luftlinie trennen den Berg von der nächsten Stadt namens São Gabriel da Cachoeira. Diese hat 24.000 Einwohner und ist der Ausgangspunkt für die wenigen Expeditionen zum Gipfel. Eine Besteigung ist nur mit ausgewiesenem Führer und einer Erlaubnis der IBAMA möglich. Die IBAMA ist die brasilianische Naturschutzbehörde.
Durch mangelnde Infrastruktur dauert die Anreise bis zum Fuß des Berges sehr lange, sodass insgesamt 4 Wochen für eine Expedition eingeplant werden sollten. Der eigentliche Aufstieg dauert 4-5 Tage und führt durch Dschungel, Hochebenen, Sümpfe und Flüsse. Die abwechslungsreiche Tour erfordert wenig Erfahrung und Geschick im Bergsteigen, setzt aber eine gute Kondition und Ausdauer voraus.
Ein Nationalpark im Niemandsland
Der Pico da Neblina ist Teil des gleichnamigen Nationalparks, der 1979 gegründet wurde. Mit einer Fläche von etwa 2.200.000 Hektar stellt er eines der größten Naturschutzgebiete Südamerikas dar. Ziel der Gründung war die Bewahrung der biologischen Vielfalt und natürlich vorkommenden Ressourcen in diesem Gebiet. Außerdem soll ein Ausschnitt des lokalen Ökosystems geschützt werden. Der Park unterliegt der IBAMA und darf nur mit Erlaubnis und Guide der Naturschutzbehörde betreten werden. Aktuell ist ein Besuch nur mit Sondererlaubnis der Regierung möglich.
Früher war dieses Gebiet unbeachtetes Niemandsland. Erst nachdem Brasilien und Venezuela Mitte der 60er Jahre eine klare Grenzziehung vollzogen hatten, entstand Interesse an der Region und deren Bodenschätze. Nach der Entstehung des Nationalparks war es zunächst nur ausgewählten Wissenschaftlern und Mitgliedern des brasilianischen Militärs gestattet, den Park zu betreten und zu erforschen.
Wilde, ungezähmte Natur
Die Vegetation entspricht der eines äquatorialen Tropenwaldes mit hoher Luftfeuchtigkeit und Temperatur. Im Park findet sich sowohl dichter, als auch offener feucht-tropischer Wald, der viele verschiedene Arten von Lianen enthält. Die größten Bäume erreichen bis zu 30m. Die Fauna ist typisch für einen Amazonas-Regenwald.
Das Gebiet des Nationalparks ist in einem unberührten Zustand, sodass sich das Ökosystem ungestört entfalten konnte. Es gibt keine ausgebaute Infrastruktur, der Zugang ist nur durch eine mehrtägige Bootsfahrt über den Fluss Rio Negro oder mit einem kleinen Flugzeug möglich. Unter den wenigen Besuchern sind Trekking-Touren im Serra do Imeri-Massivs im Norden des Parks besonders beliebt. Diese sind jedoch nur für erfahrene Wanderer empfehlenswert.
Ein Platz für indigene Kultur
Der Pico da Neblina-Nationalpark liegt im Gebiet der Yanomami-Indianer. Dieses indigene Volk lebt sowohl in Brasilien als auch in Venezuela als Jäger und Ackerbauer. Im Naturschutzgebiet findet sich heute nur noch eine kleine Gruppe der Indianer. Es handelt sich aber dennoch um das größte brasilianische Yanomami-Reservat. Die brasilianische Indianerschutzbehörde FUNAI bemüht sich gemeinsam mit der IBAMA um den Versuch, die jeweiligen Interessen zu wahren.